
Schafwolle sortieren: ein Erfahrungsbericht mit Anleitung
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Im August 2024 habe ich einen Spinnkurs gemacht. Wer spinnen will, braucht Wolle. Klar, die kann man fertig aufbereitet kaufen.
Aber wie der Zufall es wollte, kamen wir auf einem langen Hundespaziergang an einem kleinen Geflügelhof vorbei. Und da gab es nicht nur Hühner. Nein, da standen auch ein paar Schafe auf der Wiese. Und tatsächlich lagen die Wollsäcke der letzten Schur noch in der Scheune (eigentlich nicht so überraschend wenn man weiß, dass viele Schafhalter keinen Abnehmer für ihre Wolle haben).
So bin ich zu dem Vergnügen gekommen, das erste mal selbst Schafwolle zu sortieren. Doch wo fängt man da eigentlich an und was muss man beachten? Ich hatte keine Ahnung… Einfach mal machen dachte ich mir.
Mittlerweile habe ich die Wolle von ca. 100 Schafen verschiedener Rassen sortiert und bin um viele Erfahrungen reicher. Darunter waren Suffolk-, Texel-, Coburger Fuchs-, Zwartbles- und Mischlingsschafe. Jedes Vlies ist anders. Nicht nur innerhalb einer Rasse sondern auch jedes einzelnen Tieres.
In diesem Blogbeitrag möchte ich dir von meinen Erfahrungen berichten und dir viele Tipps mit an die Hand geben. Zur Verdeutlichung findest du hier und da ein paar Fotos die ich beim Sortieren eines Suffolk-Vlieses gemacht habe.
Idealfall vs. Realität
Die Wunschvorstellung – und das was einem manchmal weiß gemacht wird – ist ein komplett zusammenhängendes Schafwollvlies, das du im Ganzen auf deinem Sortiertisch auslegst und sofort siehst, wo vorne, hinten, Seite ist.
Wenn du nicht direkt bei der Schur sortierst, sondern das Vlies erst mal in einen Sack getan wurde, wurde es vorher perfekt eingerollt (erst die Seiten einklappen, dann vom Kopf her aufrollen). Du holst es zuhause aus dem Sack und rollst es einfach wieder aus.
Die Realität sieht ganz anders aus. Während der Schur fällt das Vlies in einzelnen Stücken vom Schaf, die Schurhelfer raffen es schnell zusammen – denn das nächste Schaf folgt sofort - und stopfen die Wolle so wie es eben gerade geht, in die Säcke. Am Ende kippst du zuhause einen wirren, undefinierbaren Haufen aus.

Und selbst wenn das Vlies nach der Schur in Ruhe fachmännisch zusammengerollt wurde, kann es dir passieren, dass du es nicht so gut auseinander bekommst. Denn die Schnittkante der Schafwolle enthält Wollfett (Lanolin) was dafür sorgt, dass die Wolle manchmal etwas zusammenklebt.
Bei der ganzen Schafwolle, die ich bisher in Säcken erhalten und erst nachträglich sortiert habe, kann ich an einer Hand abzählen, wie viele Vliese im Ganzen auf meinem Sortiertisch lagen und ich schnell und einfach außenrum die verschmutzten Stellen aussortieren konnte.
Die überwiegende Zahl der Wollvliese kam eher in Stücken aus den Säcken. Doch auch das hat etwas Gutes: Umso weniger das Wollvlies zusammenhängt desto weniger angefilzt sind die Wollspitzen.
Vorbereitung: Was du vor dem Sortieren wissen und besorgen solltest
Am besten lässt sich Schafwolle auf einem Sortiertisch sortieren.
Ein Sortiertisch zeichnet sich dadurch aus, dass die Arbeitsfläche nicht aus einer Platte, sondern aus einem Gitter (oder Netz) besteht. Das hat den Vorteil, dass Schmutz und Verschnitt direkt durch das Gitter auf den Boden fallen kann.
Die Auflagefläche sollte mindestens 2 Meter x 1,50 Meter betragen.
Ich habe zwei Sortiergitter, die jeweils 2 Meter x 1 Meter groß sind. Das hat den Vorteil, dass sie ins Auto passen. Bei Bedarf kann ich sie aber direkt nebeneinander aufbauen und erreiche so eine Auflagefläche von 2 x 2 Meter.
So ein Sortiergitter kann man mit wenigen Materialien relativ schnell und einfach selber bauen.
Dafür benötigst du:
• 4 Holzlatten
• Hasendraht
• Schrauben
• Bautacker mit Tackernadeln
• Optional Gartendraht
Die Vier Holzlatten schraubst du an den Enden zusammen so, dass ein Rahmen entsteht.
Den Hasendraht spannst du in mehreren Bahnen entlang der kurzen Seite über den Rahmen und tackerst ihn auf den Latten fest. Die einzelnen Bahnen sollten sich ein kleines bisschen überlappen.
Wenn du möchtest, kannst du die Bahnen noch mit einem Draht verbinden.
Das fertige Gitter klemmst du dann einfach mit Schraubzwingen auf Klappböcke. Am besten eignen sich Metallböcke. Sie stehen sehr stabil und sind höhenverstellbar.

Eine angenehme Arbeitshöhe ist Gold Wert, denn zu Beginn wirst du sicher etwas länger brauchen um dein Schafwollvlies zu sortieren. 1 Stunde Sortierzeit pro Vlies ist ganz normal.
Natürlich benötigst du mehrere Behälter, in die du die Schafwolle hineinsortieren kannst. Hier eignen sich beispielsweise Pappkartons oder Säcke. Ich verwende Müllsäcke (die großen, blauen) für die „schlechte“ Wolle und Gewebesäcke für die „gute“ Wolle. Die Gewebesäcke haben den Vorteil, dass sie etwas luftdurchlässig sind.
Eine Schürze oder alte bzw. unempfindliche Kleidung kann nicht schaden, falls du mal ein größeres Stück Wolle auf den Arm nimmst.
Manche Wolle ist stark verkotet, enthält (frischen) Urin oder ist sehr fettig. Viele Leute sagen man muss die Wolle beim Sortieren richtig spüren. Ich finde es aber durchaus legitim zumindest für die sehr schmutzigen Stellen Handschuhe zu tragen. Ich verwende in diesen Fällen dünne Küchenhandschuhe. Sie sitzen ganz eng und du hast trotz Handschuh immer noch ein bisschen Gefühl in den Fingern.
Schafwolle verstehen: Aufbau und Eigenschaften
Wenn du ein Schafwollvlies sortierst und dir die Wolle genauer anschaust, wirst du schnell feststellen, dass sich die Fasern je nach Körperregion unterscheiden.
An Kopf, Hals und Beinen ist die Wolle meist ein kurzer, weicher Flaum. An der Keule dagegen relativ lang und grob.
In der Po-Region ist die Wolle häufig stark verkotet und verfilzt. Auch die Bauchwolle ist i.d.R. schmutzig und angefilzt.
Auf dem Rücken und an den Seiten ist die Wolle feiner und durch Regenwasser häufig auch sauberer. Meist ist die Rückenpartie auch heller, da sie von der Sonne etwas ausgeblichen ist.
Manchmal finden sich sogar kleine Partien, die etwas gelockt sind.
Du kannst alles, was verwendbar ist, in verschiedene Kategorien einteilen (z.B. feine Fasern, normale Länge; grobe Fasern, normale Länge; grobe, lange Fasern) und sie alle separat verarbeiten. So erhältst du am Ende verschiedene Wollqualitäten, die du für verschiedene Projekte verwenden kannst.
Diese Vorgehensweise empfiehlt sich vor allem dann, wenn sich die einzelnen Wollfasern im Vlies stark unterscheiden und jede Qualität in ausreichender Menge vorliegt.
Alternativ kannst du einfach aussortieren, was generell für Handarbeitsprojekte nicht geeignet ist und alles Brauchbare gemeinsam weiter verarbeiten. Auf diese Weise erhältst du eine Mischung der Qualitäten.
Das ist vor allem dann völlig in Ordnung, wenn sich die einzelnen Fasern nicht so stark unterscheiden. Diese Vorgehensweise ist für deine erste Wollsortierung absolut empfehlenswert.
An der Schafwolle lässt sich auch erkennen wie und wo die Schafe gehalten werden. Verbringen sie den Winter im Stall finden sich häufig Stroh und Heu in der Wolle.
Aber auch bei ganzjähriger Weidehaltung finden sich Pflanzenteile in der Wolle. Je nach Vegetation auf und an der Wiese wirst du verschiedene Gräser, Blätter oder Kletten in der Wolle finden.
Schritt-für-Schritt-Anleitung: Schafwolle sortieren
Als erstes breitest du das Schafwollvlies so gut es geht auf deinem Sortiertisch aus. Die Schurseite (also dort, wo die Wolle am Schaf angewachsen war und abgeschnitten wurde) liegt unten.
Stehst du zum ersten Mal vor einem Vlies überkommt dich jetzt vielleicht ein Gefühl der Rat- und Hilflosigkeit. So ging es mir am Anfang zumindest. So gut wie alles sieht ziemlich schmutzig aus. Wo fängt man da bloß an?
Starte mit den schmutzigsten Partien, die du finden kannst. Das ist definitiv der Po-Bereich. Hier sind die Wollfasern meist deutlich mit richtig viel Kot verklebt. Kein Zweifel – das muss weg!

Hast du ein zusammenhängendes Vlies, dass du gut ausbreiten und die einzelnen Körperpartien erkennen kannst, siehst du, dass die äußeren Ränder die schmutzigsten sind. Hier kannst du dich von außen nach innen vorarbeiten.
Hast du jedoch einzelne Wollstücke und alles sieht kreuz und quer vermischt aus, arbeitest du dich einfach Stückchen für Stückchen durch.
Aussortieren musst du alles, was…
… verkotet ist.
Diese Partien sind unübersehbar und sind lediglich als Dünger für den Garten oder zur Weiterverarbeitung zu Schafwollpellets geeignet.

… verfilzt ist.
Verfilzte Wolle findet sich hauptsächlich an den unteren und hinteren Körperregionen. Hier wird es schon etwas schwieriger zu erkennen, was für das Kardieren der Schafwolle schon zu stark verfilzt ist und was noch ok ist. Am besten findest du es heraus, indem du die Spitzen zwischen die Finger nimmst und versuchst, sie auseinander zu ziehen. Lassen sie sich leicht lösen, sind sie nicht so filzig, wie sie vielleicht aussehen. Musst du jedoch ziehen, hängen die Fasern zu sehr zusammen. Beim Kardieren würden sie abbrechen und reißen, was zu schlechter Garnqualität führt.

Hier lohnt sich ein Test, ob sich die Spitzen leicht auseinander ziehen lassen oder nicht.
… zu viele Stroh-, Heu- oder sonstige Pflanzenteile enthält.
Jedes Schafwollvlies enthält Pflanzenteile. Das ist ganz normal. Kleine, einzelne Teile können in der Wolle verbleiben. Beim Waschen und Kardieren werden sie teilweise noch entfernt.
Findest du im Vlies jedoch einen Bereich, in dem sich ein ganzes Pflanzennest eingelagert hat, musst du das gesamte Stück aussortieren – egal wie schön die Fasern ansonsten sind.

Umso mehr Pflanzenteile in der Rohwolle sind, desto mehr Pflanzenteile wirst du später auch im Kardierten Vlies bzw. im gesponnenen Garn haben.
Kaufst du Garn aus Schurwolle, das keinerlei Pflanzenteile enthält, kannst du dir sicher sein, dass die Rohwolle karbonisiert wurde.
Beim Karbonisieren wird die Schafwolle mit verdünnter Säure getränkt und anschließend erhitzt. Dabei „verkohlen“ die Zellulosefasern der Pflanzenteile. Durch Ausklopfen, Ausblasen oder Auswaschen werden die letzten Reste aus der Wolle entfernt.
Hast du in deinem Wollvlies eine Partie gefunden, die weder verkotet noch verfilzt ist und keine bis wenige Pflanzenteile enthält, solltest du die Fasern jetzt einmal kräftig schütteln.
Dadurch schüttelst du nämlich nicht nur losen Dreck ab, auch Verschnittteile fallen durch das Sortiergitter.

Bei der Schafschur kommt es immer mal vor, dass der Scherer beim ersten Schnitt ein kleines bisschen zu weit oben ansetzt. Die restlichen, kurzen Fasern werden dann mit einem zweiten Schnitt abgeschoren.
Sie haften aber häufig als kleine Wollkügelchen an der fettigen Schnittkante. Sortierst du sie nicht aus, findest du später im kardierten Vlies viele kleine Wollknötchen.
Das längere Ende der Verschnitt-Fasern bleibt meist im Vlies hängen, sollte aber ebenfalls aussortiert werden. Hier gilt es ganz genau hinzuschauen, ob die Fasern in ihrer Länge komplett sind oder im unteren Bereich ein Stück fehlt.

Zum Schluss drehst du die Wolle um, sodass jetzt die Schurseite oben liegt.
Jetzt kannst du nochmal schauen ob immer noch Verschnittteile an der Schurseite haften und sie manuell entfernen.
Vor allem solltest du dir aber die Farbe der Schurseite anschauen.

Manchmal ist die Unterseite der Wolle stark vergilbt, was durch Bakterien verursacht wird.

Diese Art der Vergilbung lässt sich nicht auswaschen und nicht überfärben. Leider ist es schwer zu erkennen, welche Art von Gelb unbedenklich ist und sich auswaschen lässt und welche nicht.
Bist du dir unsicher, nimmst du ein kleines Faserbündel aus dem betroffenen Bereich und legst es ein paar Minuten in heißes Wasser.

Links die verschmutzten Fasern vor dem Waschen. Rechts die weiße Wolle nach der Waschprobe.
Mit dieser schnellen Waschprobe lässt sich zuverlässig feststellen, ob sich der Gilb (oder auch sonstige Verschmutzungen) rückstandslos auswaschen lassen oder nicht.

Hier ist der Gilb auch nach dem Waschen noch deutlich erkennbar.
Erfüllt dein Vlies alle Kriterien von den Spitzen bis zur Schnittkante, kann es zu einem wunderschönen Vlies aufbereitet und zu Garn versponnen werden.
Nach dem Sortieren
Sämtliche Wolle, die du weiterverarbeiten (lassen) möchtest, sollte möglichst zeitnah gewaschen werden.
Erst wenn die Wolle durch fachmännisches Waschen von allen Verschmutzungen befreit wurde, kann sie sorglos gelagert werden.
Kommt es dennoch mal vor, dass die Rohwolle ungewaschen gelagert werden muss, solltest du darauf achten, dass sie absolut trocken ist. Das erreichst du am besten, indem du sie in der Sonne ausbreitest.
Vor allem in luftdichten Plastiksäcken kann feuchte Schafwolle schimmeln und Bakterien können sich weiter ausbreiten.
Beim Waschen der Rohwolle wird neben den Verschmutzungen auch das enthaltene Wollfett entfernt. Dreck und Fett haben ganz schön viel Gewicht. Du wirst feststellen, dass die gleiche Menge Schafwolle nach dem Waschen viel weniger wiegt. In der Regel erleichtert die Wäsche das Gewicht der Rohwolle um ca. 1/3.
Beim anschließenden Kardieren werden nicht nur alle Fasern in der selben Richtung ausgerichtet, es werden auch kürzere Wollfasern und kleine Pflanzenteile aussortiert. Dadurch verringert sich die Menge nochmal um ca. 1/3.
Eine Überraschung kann die Farbe des kardierten Vlieses bringen. Sind manche Partien deiner Schafwolle Weiß, andere Hellbeige, wieder andere Dunkelbeige, erhältst du am Ende eine gleichmäßige Mischung, die manchmal farblich etwas anders ausfällt als erwartet.
Fazit
Das Sortieren von Schafwolle ist zu Beginn definitiv zeitaufwendig.
Aber es gibt dir auch die Gelegenheit die Fasern richtig kennen zu lernen.
Sortierst du Vliese unterschiedlicher Rassen, wirst du schnell feststellen, dass Rohwolle sehr unterschiedlich ist. Manche Vliese sind stark fettig, andere nur wenig. Es gibt grobe Fasern, die schon fast an Schweineborsten erinnern aber auch ganz weichen Flaum. Manche Fasern sind glatt und wenig elastisch, andere haben süße kleine Löckchen, die sich richtig lang ziehen lassen.
Hast du noch keine oder nur wenig Sortiererfahrung, empfehle ich dir etwas Zeit einzuplanen und jede Faser genau zu prüfen.
Möchtest du die Schafwolle direkt bei der Schur sortieren, solltest du schon deutlich mehr Erfahrung haben. Ein geübter Scherer benötigt lediglich wenige Minuten pro Schaf. Das bedeutet, dass du auch nur Minuten zum Sortieren hast, bis schon das nächste Vlies auf deinem Sortiertisch landet.
Wird die Wolle während der Schur erst mal in Säcke oder sonstige Behälter gepackt, damit du sie später in Ruhe sortieren kannst, empfehle ich dir jeden Sack mit nur einem Schaffell zu befüllen und die Wolle möglichst wenig zu drücken und zu stopfen.
Stark gedrückte Wolle lässt sich schlechter auseinander nehmen und du musst die Fasern erst wieder „aufrichten“ um zu erkennen, wo die Spitzen sind und wo die Schurseite ist.